von Erwin Grosche
Es gab auch im Jahr 2021 schöne Momente, an die ich mich auch später erinnern werde. Ich habe eine Begebenheit in Elsen vor Augen, bei der ich mal spüren durfte, wie wunderbar albern das Leben sein kann. Ich wollte mit einer Freundin in Elsen spazieren gehen und parkte am Rand eines Feldweges. Beim Verlassen des Autos bemerkte ich, dass auf dem dort aufgestellten Stromkasten „Sextref“ geschrieben stand. Hoffte ich zuerst, dass mich niemand vor diesem Sextreff entdecken würde, fand ich die entstandene Situation schließlich sehr komisch. So konnte ich es mir nicht verkneifen, einem älteren Ehepaar, welches gerade auf dem Feldweg spazieren ging und mich anklagend ansah, ein: „Das ist nicht das, wonach es aussieht“ herüber zu rufen. Ich fühlte mich in diesem Augenblick unwiderstehlich, war mir aber nicht sicher, ob das ältere Ehepaar meinen Witz verstanden hatte, zumal der Mann auf das Graffiti zeigte und bemängelte: „Da fehlt ein f“. Später erklärte mir meine Freundin, dass das ihr ehemaliger Deutschlehrer gewesen war. Ich liebe seitdem diesen Sextref mit einem f. Manchmal fahre ich dort hin und schaue einfach verschämt auf den Boden. Gibt es etwas Schöneres als an einem Sextref zu stehen und verschämt auf den Boden zu schauen? Es wird nicht die Perfektion sein, die unsere Welt liebenswerter macht. Es ist das Pflegen unserer Hilflosigkeit und das Auffrischen unseres kindlichen Humors. Das gibt unserem Leben die Würde zurück. Die Erde ist ein Sextref und wenn wir Glück haben kommt jemand vorbei und umarmt uns. Auf nach Elsen.
Der Autor, Schauspieler, Kabarettist und – nicht zu vergessen ! – Paderborner Erwin Grosche, in jedem seiner Fächer ein herz- und kopferreichender Meister, veröffentlicht im Verlag Akademie der Abenteuer als nächtes Buch den Gedichtband „Das ist nicht so, das ist ganz anders“. Die umwerfenden farbigen Holzschnitte dazu stammen von Hans Christian Rüngeler.