Tandlers letzter Schritt

// von Boris Pfeiffer //

At first war Tandler, ein durchaus leutseliger Mensch (und so gab er sich auch) sehr erfreut und glücklich, als sich seinem wirklich und aufrichtig aus dem Herzen betriebenen Verein, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, den nicht gut Rechnenden das Zahlenwesen zu vermitteln, der vielbeachtete Mathematiker X anschloß.
Tandler bekam von ihm dessen letzte Werke zur Infinitesimalrechnung geschenkt, zeigte ihn fortan als zahlendes und damit unterstützendes Mitglied auch gerne hie und da digital vor, schaffte es aber trotz zweier Nachfragen nicht, ihn einmal leibhaftig bei sich in den Zirkel zum Vortrag holen. Zu viele Verpflichtungen hatte der feine Herr Matematikus …
Tandler wunderte sich über sich selbst, als er dies dachte. Aber stimmte es denn nicht? War der Herr nicht immer unterwegs und sogar hier und da in der Nähe. Warum dann nicht auch einmal im schönen Achsbach? Tandler verbot sich die Wut. Immerhin zahlte der andere und hatte auch großzügig unterstützt. Doch was gärt, muss allen mathematisch unendlich steigenden Kurven zuwider dann und wann auch einmal explodieren. Nicht umsonst war die Explosion der Zahlen Tandlers mathematische Lieblingsidee. Und die wirkte in Tandler, als der feine Pinkel nach nur kurzjähriger Mitgliedschaft schrieb, er zöge ins Ausland und wolle deswegen seine Mitgliedschaft zum Ende des Jahres beenden. Tandler erzitterte vor Wut. Erst kommen und groß tun und sich aufspielen als Spender. Sich selbst aber nie vor Ort sehen lassen. Und dann noch entgegen Tandlers ganzer Großzügigkeit der geleisteten Gastfreundschaft einfach mir nichts dir nichts wieder abziehen. Bleiben hätte er können, was scherten den Pinsel denn die paar Kröten! In Tandler kreisten die Wut, die Verachtung, der Groll. Dem würde er es beweisen, allen infinitesimalen Zahlenwerken gerecht und zum Trotz noch dazu. Und das tat er.
Zuerst nutzte er die kaufmännische Konsequenz, die er sich im Lauf seines arbeitsamen Lebens angeeignet hatte. Er schrieb den eigentlich ja noch viel berühmteren Mathematiker Y an, den er sich zuvor nie zu fragen gewagt hatte, der dem Versager X aber doch nun eigentlich wirklich in gar nichts nachstand, und lud diesen zu sich ein in den Verein. Natürlich als nicht zahlendes Ehrenmitglied, denn Ehre, wem Ehre gebührt. Und natürlich konnte er dem Y nicht sagen, dass der X von sich aus sehr wohl gezahlt hatte. Denn aller Mathematik zum Trotz, ein X für ein U und so weiter, das war kein köderndes Rechenbeispiel.
Die Sache war schnell erledigt. Und nun kam Tandlers letzter Schritt. Seit eh und je verschickte er allwöchentlich und wenn möglich auch öfter an alle Mitglieder des Vereins einen die Erfolge desselbigen mitteilenden Newsletter. Und den bekam von nun an auch X weiter in feinster Regelmäßigkeit. Da scherte es Tandler nicht im Geringsten, dass X ihm zum Abschied nicht nur sein letztes Werk zur Quantentheorie am Schwarzen Loch samt Hawkingsstrahlung und Informationsparadoxon signiert hatte zukommen lassen, sondern ihn auch gebeten, ihn zukünftig aus dem Newsletter auszutragen. Strafe musste sein. Und wie freute sich Tandler, als X ihn nach einigen Monaten unerwünschter Mails zum zweiten Mal bat, ihn aus dem Verteiler zu löschen. Das könne er nicht, er gebe sich alle Mühe, aber X’ Mailadresse sei in einem Schwarzen Loch verschwunden, von wo sie sich selbst zu versenden scheine. Nein, keine Chance sie wiederzufinden, auch keine Hoffnung. Oder doch, eine gebe es – könne nicht X im Gegenzug einfach die Mails von Tandler in einem solchen untergehen lassen, indem er sie in den Spamfilter verschiebe? Tandler rieb sich die heißen Hände. Erinnern werde ich dich, mit jeder unnötigen Mail einmal mehr, unermüdlich und fleißig, dumm werde ich mich stellen bei jeder deiner immer entsetzteren Nachfragen, das ganze Ausmaß der Fehlbarkeit der Bayes’schen Statistik zur Spamberechnung werde ich dich auskosten lassen. Ja, du wirst an mich denken!

// Der Verlag Akademie der Abenteuer wurde Ende 2020 gegründet. Hier fanden zunächst Kinderbücher ein neues Zuhause, die sonst aus dem Buchhandel verschwunden wären. Dies ermöglicht den Autorinnen und Autoren ihre Bücher auch weiterhin bei Lesungen vorzustellen und ihre Backlist zu pflegen. Schritt für Schritt kamen dann Neuveröffentlichungen hinzu. Seitdem sind über 50 Bücher von mehr als 20 Autorinnen und Autoren aus vielen Teilen der Welt erschienen –  zweimal hochgelobt von Elke Heidenreich, einmal in den Musenblättern zum Buch des Jahres gekürt. Alle Bücher des Verlags lassen sich finden im Überblick.

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands. Er schrieb zum Beispiel die von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen als einzigartig gelobte historisch-fantastische Zeitreisensaga ‚Akademie der Abenteuer‘, wie auch weit über 100 Bände für die beliebte Kinderbuchreihe ‚Drei ??? Kids‘. Von ihm stammen ‚Celfie und die Unvollkommenen‘, ‚Die Unsichtbar-Affen oder ‚Das wilde Pack‘. Er ist der Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschienen dort von ihm zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister die Gedicht- und Bildbände für Erwachsene „Nicht aus Adams Rippe“ und „Mitten im Leben“. Die nächste Ausstellung mit den Bildern und Gedichten findet 2025 in der Bibliothek Zeuthen statt. Band 3 und 4 entstehen zur Zeit. Von Kindern mit großer Aufmerksamkeit gelesen wird Boris Pfeiffers vierbändige Ozean-Geschichte SURVIVORS, die von einem Schwarm bunt zusammengewürfelter Fische erzählt, deren gemeinsames Ziel es ist, den Klimawandel zu überleben. Sein Roman „Feuer, Erde, Wasser, Sturm – Zum Überleben brauchst du alle Sinne“ wurde in der Süddeutschen Zeitung als eines der zehn besten Jugendbücher des Jahres 2023 gewählt. Er arbeitet zur Zeit an einem neuen Roman und schreibt neue Kinderbücher mit den Fußballvereinen der Deutschen Bundesliga //

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