Wenn das keine Überraschung ist …

// von Ingrid Widiarto //

Mitten im Prenzlauer Berg, früher Ost-Berlin und jetzt einer der beliebtesten Bezirke unserer Hauptstadt: ein bisschen alt, ein bisschen modern, ein bisschen hipp, viele Cafés und Restaurants, viele alte Bäume und kleine Läden. Im Schaufenster eines dieser kleinen Läden, einem Antiquariat für schöne Bücher, stehen in dekorativer Reihe Flaschen mit Sonnenblumenöl und einem roten Etikett, das mit chinesischen Schriftzeichen bedruckt ist. Auf einem dieser Etiketten steht der Name „Ilham Tohti“. Wenn das keine Überraschung ist!

Denn wer kennt schon Ilham Tohti?
Er ist ein uigurischer Wirtschaftswissenschaftler, der sich in China viele Jahre lang für Respekt, Verständnis und Zusammenarbeit aller Volksgruppen in China eingesetzt hat und deswegen (!) zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er hat zwar seitdem zahlreiche internationale Menschenrechtspreise gewonnen und wurde mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert, aber dennoch kennen wohl nur sehr wenige in Deutschland seinen Namen. Hier steht er nun auf einer Flasche Sonnenblumenöl, zusammen mit 41 anderen Flaschen mit rotem Etikett und dem Namen eines chinesischen Dissidenten! Sie alle wurden verurteilt, weil sie sich für die Rechte ihres Volkes eingesetzt haben. Weil sie die Wahrheit gesagt oder Kritik an der Regierung geäußert haben. Weil sie die Menschenrechte verlangten, die in der Verfassung der Volksrepublik China festgeschrieben sind. Kaum jemand auf der Welt kennt ihre Namen, aber im Schaufenster eines kleinen Buchladens im Prenzlauer Berg stehen sie auf roten Etiketten auf Flaschen mit Sonnenblumenöl geschrieben.

Was hat das zu bedeuten?
Vor Jahren hatte Ai Weiweis Installation „Sunflower Seeds“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Sunflower_Seeds) und später die ARTE-Dokumentation „Total Trust“ den Inhaber so sehr berührt, dass er den Gedanken nicht mehr loswurde, selbst etwas für Menschenrechte und gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn schließlich, so sagte er sich, müssen auch wir in Deutschland achtgeben, dass uns unsere demokratische Freiheit erhalten bleibt. So entstand die Idee, aus den Sonnenblumensamen Ai Weiweis, die zertreten worden waren, ein Öl zu schaffen und jede Flasche einem Menschen zu widmen, der wegen seines Mutes zur Wahrheit von der chinesischen Regierung verhaftet wurde.

Ingrid Widiarto im Verlag Akademie-der-Abenteuer hier.

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// Der Verlag Akademie der Abenteuer wurde Ende 2020 gegründet. Hier fanden zunächst Kinderbücher ein neues Zuhause, die sonst aus dem Buchhandel verschwunden wären. Dies ermöglicht den Autorinnen und Autoren ihre Bücher auch weiterhin bei Lesungen vorzustellen und ihre Backlist zu pflegen. Schritt für Schritt kamen dann Neuveröffentlichungen hinzu. Seitdem sind über 50 Bücher von mehr als 20 Autorinnen und Autoren aus vielen Teilen der Welt erschienen –  zweimal hochgelobt von Elke Heidenreich. Alle Bücher des Verlags lassen sich finden im Überblick. //

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