von Maria Giovanna Tassinari
Gestern sind wir bei unserem Spaziergang an der Jüdischen Buchhandlung in der Joachimsthaler Strasse vorbei gegangen. Wir haben uns die Bücher im Schaufenster angeschaut, fast wären wir weiter gegangen, als ich gefragt wurde (wie oft): möchtest du etwas? Und ja, ein Buch hatte mich schon angezogen, vielfarbige Blumen auf einem blauen Hintergrund, geflochten in einem orientalisch anmutenden Muster. Schon waren wir drin. Ein großer, L-förmiger Raum – es erinnert mich jetzt daran, dass ich heute Nacht diese Form in meinen Träumen wiedergefunden habe: ein dunkler Korridor, ein langer Flughafen, eine Strasse – ein Tisch in der Mitte, deckenhohe, weiße Regale an den Wänden
Ich schnüffle herum, lasse mich von den Farben und den Formen umtreiben: Romane, Biografien, Philosophie-Bücher, Gedicht-Bände. Ich nehme einige in die Hand, Autoren, die ich kenne, und viele, die ich nicht kenne. Bibelbücher, Talmud. Bücher über Israel. Hebräisch-Lehrbücher. Tassen mit dem hebräischen Alphabet. Postkarten für Bar-Mitzwas und andere jüdische Feste. Und Gebetstücher, Kippas, Menorahs, Purifikationsbecher…
Mich überkommt wieder der Wunsch, Hebräisch zu lernen. Ich unterhalte mich mit der Buchhändlerin, sie selbst hatte angefangen, Aramäisch zu lernen. Ich denke an mein Heft mit den handgeschriebenen Übungen, die ich heute kaum noch entziffern kann. Ich denke an Egisto, der jahrelang nach Ferrara gefahren ist, um bei einem Rabbi zu lernen.
Ich denke an Inge, wie sie mir erzählte, wie die Kerzen an den Chanukka-Abenden angezündet werden sollten, jeden Abend eine weitere. Das Ritual dürfe nicht unterbrochen werden, es würde Unglück bringen. In dem Jahr, in dem sie es ausgelassen hatte, ist ihr Mann gestorben.
Ich lege das Hebräisch-Lehrbuch zurück, verzichte auf ein paar Bücher und nehme nur zwei mit: The modern guide to Judaism, von Shmuley Boteach, und Die schönsten Psalmen neu entdeckt, von Yuval Lapide.
Die Buchhändlerin packt unsere Bücher, unsere DVDs, unsere Menorah. Wir zahlen, wir bereiten uns darauf vor, diesen Raum zu verlassen. Freitagabend. „Shabbat shalom!“, sagt die Buchhändlerin. „Shabbat shalom!“