Die schnieke neue Lufthansa

// von Boris Pfeiffer //

Während in Deutschland, meiner Auffassung nach ausgesprochen sinnigerweise, ein Handy-Nutzungsverbot für Schulkinder diskutiert wird, wohlgemerkt im Unterricht und auf dem Pausenhof, nicht aber in ihrem gesamten Leben (für welches sich die nachdenklicheren Zeitgenossen aussprechen), beschließt die Deutsche Lufthansa den Abbau von 4000 Stellen, um diese durch KI zu ersetzen.

Meine Erfahrungen mit der Lufthansa KI aus den letzten drei Tagen sind wie folgt: Anderthalb Stunden vor Abflug in die weite Welt, erreicht mich eine KI-Nachricht, der Flug sei annulliert worden. Im Anhang an dieser Nachricht findet sich ein Link. Über diesen kann ich den Flug stornieren oder alternativ einen ersatzweise möglichen Flug buchen. Sofort darauf aber fängt die KI an zu scheitern. Noch verstehe ich sie. Denn da ich zusammen mit meiner Frau Fliegen will, wir aber unabhängig voneinander gebucht haben, da wir unterschiedliche Rückreisen antreten werden, kann uns die künstliche Intelligenz nicht als Paar behandeln, sondern nur als einzelne Flugscheine.

Jetzt sind wir auf einen Menschen angewiesen, wollen wir weiterhin zusammen reisen, denn ihr und mir werden ansonsten von der KI unterschiedliche Ersatzflüge, bzw., innerhalb Deutschland alternativ auch Zugreisen angeboten.

Ich finde eine Telefonnummer. Ich finde einen Menschen. Jedenfalls nachdem ich zuvor die KI-Auswahltaste geklickt habe, ob ich mit einem Menschen sprechen möchte, der Deutsch kann oder mit einem, der Englisch kann, was schneller gehen würde. Klare Zeichen der Globalisierung der Lufthansa, Zeichen der niedrigeren Löhne anderswo und nebenbei der tiefere Hintergrund für den demnächst anstehenen Streik bei der Lufthansa laut Bericht im SPIEGEL.
Da ich des Englischen mächtig bin, wähle ich Englisch, und tatsächlich bekomme ich eine ausgesprochen freundliche Frau ans Telefon.

Sie schafft es durch wenige Klicks an ihrem Computer, meine Frau und mich zusammen auf einen neuen Flug zu buchen. Für diesen müssen wir nun um 4 Uhr nachts wieder aufstehen, um dann vor 6 am Flughafen zu sein.
Der nächste Schritt kommt wieder von der KI.

Eine halbe Stunde bevor wir am Flughafen angekommen sind, wir befinden uns nun in einem Taxi, erhalten wir eine von der KI verfasste Nachricht, auch dieser Flug sei soeben annulliert worden.
Beide todmüde kehren wir nach Hause zurück. Kaum sind wir dort angekommen, erhalten wir eine Nachricht von der KI, wir seien soeben auf einen anderen Flug umgebucht worden.

Für diesen müssten wir in zwei drei Stunden wieder aufbrechen.  

An dieser Stelle steige ich aus der Reise aus. Zu viele Verwerfungen in zu kurzer Zeit. Außerdem waren bei der zweiten Abfahrt an der Tankstelle bei uns an der Ecke alle Zapfsäulen gesperrt – aus Dysfunktion. Das habe ich gesehen, weil der Taxifahrer tanken musste und nicht tanken konnte. Ich gestehe, ich kam nicht umhin, an den hybriden Krieg Russlands gegen Europa zu denken. Mir ist der Wille zu fliegen vergangen. Zwei Annullierungen haben mich verschreckt.

In der Nachricht der KI steht, ich könne mein Geld zurückbekommen. Meine Frau, die die Reise aus Arbeitsgründen antreten muss, während ich sie auf eigene Kosten aus Neugierde in ein fernes Land begleitet hätte, schaut mir tief in die Augen. Wir kennen uns gut, wir wissen, was die Möglichkeiten und Bedürfnisse des anderen in diesem Moment sind. Wir nehmen uns in die Arme.

Dann hänge ich mich zu Hause an den Computer und versuche mittels KI die Stornierung meines Fluges einzuleiten. Gleichzeitig hängt sich meine Frau an einen anderen Computer und versucht eine Umbuchung auf einen späteren Flug, damit sie noch ein paar Stunden schlafen kann.

Es gelingt ihr, mit einem freundlich sprechenden Menschen auf Englisch. Bei mir dagegen versagt die KI. Sie schreibt, sie könne den Flug nicht stornieren, da ich bereits für einen von mir selbst nicht gewählten Flug, der sie bestimmt hat, eingecheckt sei. In der Nachricht der KI zuvor steht aber, ich könne den Flug stornieren. Das ist ein interessantes Phänomen, was will sie mir sagen, was kann sie überhaupt?
Die typischen Floskeln der KI sind ja immer, wenn etwas nicht klappt: „Ich verstehe, dass Sie nicht länger warten wollen. Ich verstehe, dass Sie gerne eine Antwort haben möchten …“ Natürlich versteht die KI gar nichts. Das menschliche Gespräch wird nur suggeriert.

Wieder rufe ich einen Menschen an. In 5 Minuten sind meine Flüge storniert und das Geld soll mir zurück überwiesen werden. Meine Frau und ich legen uns ins Bett und schlafen ein paar Stunden.

Ich ahne, so wird es in Zukunft Millionen von Menschen gehen, wenn die Lufthansa die entsprechenden Arbeitsstellen für Menschen abgebaut hat. Elektronische Halsbänder kommen mir in den Sinn.

Nachtrag. Am selben Morgen findet bei mir in den Wohnung die dreijährliche Untersuchung des Wassers auf Legionellen statt. Die sehr freundliche Frau, die diese vornimmt, misst dazu auch den Wasserdruck und die Temperatur des Wassers. Sie findet es erstaunlich, wie lange es dauert, bis das Wasser die nötige Mindesttemperatur von 56° erreicht hat, nämlich erst 3 Minuten nach Aufdrehen des Hahns. 56° ist die Mindesttemperatur, die heißes Wasser in deutschen Wohnhäusern erreichen sollte. Auch der Druck des Wassers ist nicht besonders stark. Das ist mir auch schon aufgefallen. In dem Moment denke ich, die freundliche Frau spricht über all dies verständig und wissend mit mir. Eine KI, die das Wasser auf Legionellen untersucht hätte und auf Druck und Temperatur, hätte mir nichts dazu gesagt. Sie hätte die Ergebnisse eingestrichen und wäre wieder davon gerollt, solange sie nicht sowieso schon im System verbaut wäre und ich insofern jede Frage hätte vergessen können, weil ich ja gar nicht der Adressat der Messungsergebnisse wäre.

// Der Verlag Akademie der Abenteuer wurde Ende 2020 gegründet. Hier fanden zunächst Kinderbücher ein neues Zuhause, die sonst aus dem Buchhandel verschwunden wären. Dies ermöglicht den Autorinnen und Autoren ihre Bücher auch weiterhin bei Lesungen vorzustellen und ihre Backlist zu pflegen. Schritt für Schritt kamen dann Neuveröffentlichungen hinzu. Seitdem sind über 50 Bücher von mehr als 20 Autorinnen und Autoren aus vielen Teilen der Welt erschienen –  zweimal hochgelobt von Elke Heidenreich, einmal in den Musenblättern zum Buch des Jahres gekürt. Alle Bücher des Verlags lassen sich finden im Überblick.

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands. Er schrieb zum Beispiel die von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen als einzigartig gelobte historisch-fantastische Zeitreisensaga ‚Akademie der Abenteuer‘, wie auch über 100 Bände für die beliebte Kinderbuchreihe ‚Drei ??? Kids‘. Von ihm stammen ‚Celfie und die Unvollkommenen‘, ‚Die Unsichtbar-Affen oder ‚Das wilde Pack‘. Er ist der Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschienen dort von ihm zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister die Gedicht- und Bildbände für Erwachsene „Nicht aus Adams Rippe“ und „Mitten im Leben“. Die nächste Ausstellung mit den Bildern und Gedichten findet 2025 in der Bibliothek Zeuthen statt. Band 3 und 4 entstehen zur Zeit. Von Kindern mit großer Aufmerksamkeit gelesen wird Boris Pfeiffers vierbändige Ozean-Geschichte SURVIVORS, die von einem Schwarm bunt zusammengewürfelter Fische erzählt, deren gemeinsames Ziel es ist, den Klimawandel zu überleben. Sein Roman „Feuer, Erde, Wasser, Sturm – Zum Überleben brauchst du alle Sinne“ wurde in der Süddeutschen Zeitung als eines der zehn besten Jugendbücher des Jahres 2023 gewählt. Er arbeitet zur Zeit an einem neuen Roman und schreibt neue Kinderbücher mit den Fußballvereinen der Deutschen Bundesliga //

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