von Boris Pfeiffer
Ich habe keinen Fernseher mehr, schon lange, seit ungefähr 15 Jahren. Nachrichten bekomme ich auch anders gut mit, Filme und das alles .. naja, man muss ja inzwischen eher aufpassen, nicht ein Streamingportal zu viel zu abonnieren. Wenn ich streame, gucke ich auf meiner alten Dia-Leinwand. Kenner des Altertums dürfen auch gerne an Super 8 denken. Ich liebe das Ding. Es hat einen kleinen Riss an einer Ecke, es macht so ein hurtiges Ratsch-Geräusch, wenn ich es aufziehe, seine Metallbeine klappern wie Mr Sparrows Säbel. Wenn ich fertig geguckt habe, was sich gucken wollte, trolle ich mich von meinem grünen Sofa, lasse die Leinwand in ihren Köcher zurückschnurren und trage sie in die schönste Ecke meiner Wohnung, in die ich sie neben die zusammengerollte Weltkarte an den Holzschrank vom Flohmarkt lehne. Mit der Oberkante erreicht sie dort nicht einmal seine Krone und wirkt so in der schattigen Ecke viel friedlicher als einer dieser großen Bildschirme, die einen den ganzen Tag durchs Zimmer anstarren. Ja, ich mag keine TV-Bildschirme. Was immer sich auf meiner Leinwand zeigt, hat warme Töne, hat etwas leicht Krisseliges, sind Bilder, die mich zumindest optisch sogar in der Seele erwärmen. Gestern abend war ich zu müde, die Leinwand wegzuräumen. Also habe ich es heute morgen in der ersten Sommerzeitfrühstunde dieses Jahres getan. Man sagt ja, diese Uhrenumstellung könne den Biorhytmus aus der Bahn werfen. Ich habe erfolgreich bewiesen, dass es so ist. Mit der zum Kanonrohr gerollten Leinwand habe ich schwungvoll meinen Schlumbergera von seinem Platz gefegt. Weihnachtskatus Schlumbergera, Topf, Erde, gebrochene Blätter – alles lag in einem Haufen auf dem Boden. Dem Schock aber folgte nicht die Wut, sondern die Wohltat. Ehe ich mich schämen konnte, Trauer empfinden, Schmerz, eben Wut oder irgendetwas dergleichen, erfüllte ein satter Geruch nach durchgegrabener Erde das Zimmer, ein Geruch von Leben und Garten und Mutter Natur. Danke, Jack Sparrow, Leinwand, Köcher, Morgensonne, sich finden müssender Biorhytmus – es roch wie am ersten Tag im Paradies.
Herrn Schlumbergera habe ich natürlich gerettet. Ihn aufgehoben, aufgestellt, die abgebrochenen Blätter in den Biomüll getragen, den betagten Herren leicht angegossen, ihn angeschaut.