von Boris Pfeiffer
Die Bar auf dem Pass nennen alle nur nach ihrem Besitzer.
So lange gibt es die mit gestreiften Stoff bezogenen,
an der Wand verankerten Bänke, samt den kurzen Tischen
dazwischen, die ebenso in der Wand verankert sind, schon,
dass sich niemand an etwas anderes erinnern will als
an einen einzigen Namen.
Er schneidet die Scheiben ab vom salzlosen toskanischen Brot,
er legt Mortadella und Pecorino dazwischen und stellt einen
vor die Wahl zwischen Sangiovese und Chianti. Das ist das nächste
Geheimnis der Bar. Sie liegt auf der Passhöhe zwischen dem
noblen Florenz und der bäuerlichen Romagna und man trinkt
den Wein von dort, woher man kommt.
Der wahre Zauber, die Kraft des Ortes da oben zwischen den
jetzt im Sommer dicht und dunkelgrün bewaldeten Hügeln,
die vor einem liegen wie die Wangen des ersten Marmorengels
in Santa Maria del Fiore, allerdings legt sich alleine zu denen,
die ihren Weg unterbrechen und einkehren, wenn sie dann
sitzen und kauen und schauen.
Dann verliert das restliche Leben seinen Einfluss auf alles außer
diesem Moment, ein furchtloser, gelassener Blick auf die Wange
des Engels, die Wälder und die Natur wird das Leben des Betrachters.
Ein Ort ergreift den, der seinen Weg unterbricht, mit selbstloser Einigkeit.
Ängste fallen ab, Fragen bleiben zurück, nur die Farben der Wälder
und die der eigenen Schwinge halten noch an der Welt.
bp 13.08.2021
Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands, sein Werk in viele Sprachen übersetzt. Im Verlag Akademie der Abenteuer erscheint seine (dem Verlag den Namen gebende) Buchreihe um die Magie des Wissens und die Macht des Geldes Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedichtband Lockdown – ein C-Movie. Im September erscheint bei HarperCollins der erste Band seiner neuen Kinderbuchreihe zum Überleben der Meeresbewohner im Klimawandel Survivors.