von Maria Giovanna Tassinari
An der anderen Seite des Platzes, schräg gegenüber von unserem Balkon, wird gebaut. Ein altes, schönes Haus wird aufgestockt. Ein hoher, langer gelber Kran zeichnet sich mit seinen harten Konturen gegen den Himmel ab, ein mächtiger Riese, der einen Teil des Himmels für sich beansprucht.
Gegen Abend sammeln sich die Vögel auf dem Kran. Ich sehe sie kommen, zu Dutzenden, zu Hunderten, wie verabredet. Sie sitzen dort, dicht nebeneinander. Schwarz-graue Krähen und kleinere Vögel, die ich nicht erkenne: Spatzen? Sie bilden eine lange Reihe, den ganzen Kran entlang. Sie zwitschern, rufen einander, klammern sich an die Metallstreben. Und dann plötzlich, wie sie gekommen sind, fliegen sie los, in Scharen: zuerst ein paar von ihnen, dann alle. Ein großer, einziger Schwarm zeichnet im Himmel bewegte Geometrien, Fraktale. Vor und zurück wenden sie sich, gehen auseinander und kommen wieder in einer neuen Formation zusammen. Schwarze, lebendige Pinsel auf dem Unendlichen.