Mohnkuchen

von Erwin Grosche

Der Mohnkuchen ist kein Kuschelkuchen. Wenn die Frau uns einen Mohnkuchen auftischt, will sie bestimmt nicht kuscheln. Kein Wunder, dass der Mohnkuchen in manchen religiösen Ländern verboten ist. Eine christliche Kaffeetafel sieht anders aus. Die Schlagsahne beißt bei ihm auf Granit. Es gibt bei ihm nichts zu beschönigen. Es kam mal zu einem Eklat, als der Hausherr bei einer #metoo Debatte einen Mohnkuchen servierte. Selbst Hintergrundmusik von Gheorghe Zamfir prallt von ihm ab. Zamfir ist ein rumänischer Panflötenspieler und kriegt eigentlich jede ernst zu nehmende Stimmung in den Griff. Ich kannte Bauarbeiter, die auf der Baustelle Panflötenmusik gehört haben. Dementsprechend sah auch später das Haus aus und konnte nur als anthroposophisches Altersheim genutzt werden. Der Mohnkuchen ist ein Eishockeytorwart, der den Puck mit den Zähnen auffängt. Normaler Kuchen stellt Fragen, Mohnkuchen gibt Antworten. Viele können die Antworten, die der Mohnkuchen gibt, nicht ertragen. Wussten Sie, dass der Tod nicht das Ende allen Leidens ist, sondern der Anfang? Wussten Sie, dass männliche Unterwäsche auch von Frauen getragen werden kannn, wenn sie nicht viel Wert auf ihr Aussehen legen? Beim Mohnkuchen spürt man deutlich, dass er nur zufällig in die Rubrik der Kuchen und Torten gerutscht ist. An ihm muss man vorbei, wenn man das Leben scheitern sehen will. Zwischen Verführung und Bestrafung besteht für ihn kein Unterschied. Unterwerfung ist sein zweiter Vorname. Wie albern der Streuselkuchen wirkt, wenn er neben dem Mohnkuchen auf dem Teller liegt. Nach dem Genuss eines Mohnkuchens gibt es kein Zurück mehr. Sie haben damit die rote Linie überschritten. Kann sein, dass Sie nun Kafka besser verstehen und ihnen die Musik von Metallica Trost spenden kann. Auf jeden Fall haben sie vom Tod genascht.

Der Autor, Schauspieler, Kabarettist und – nicht zu vergessen ! – Paderborner Erwin Grosche, in jedem seiner Fächer ein herz- und kopferreichender Meister, veröffentlicht im Verlag Akademie der Abenteuer als nächtes Buch den Gedichtband „Das ist nicht so, das ist ganz anders“. Die umwerfenden farbigen Holzschnitte dazu stammen von Hans Christian Rüngeler.

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