von Boris Pfeiffer
Ich schlürfe Kaffee und bin so ungefähr in Italien angekommen. Über zwei Tage zu fahren war gut, weil am ersten Tag war soviel Stau auf der Autobahn, dass wir abends um sieben erst in München waren und bis zwei oder drei Uhr nachts zu fahren hatte ich keine Lust. Ich war zum ersten Mal im Leben in Rosenheim und habe bayerisches Bier getrunken. Ich bin jetzt sicher, in Bayern ist die Lebenskultur höher als in Berlin, auf alle Fälle jedenfalls die an der frischen Luft. Die Berge sind auch besser.
Gestern habe ich meinen Freund getroffen. Wir saßen im Park und haben Wein getrunken und er hat mir vom Tod seiner Eltern erzählt, wie seine Mutter von den Menschen im Ort im Sarg unten am Balkon vorbeigefahren wurde, auf dem sein Vater saß, gelähmt, in eine dunkle Decke gehüllt, ein Bild aller Einsamkeit, bis er gleich darauf aufhörte zu essen, den Mund nicht mehr öffnete, und auch starb. Und wieviel besser mein Freund sich fühlt, seit er und seine Frau wissen, dass sie das Haus los sind, in dem sie seit Jahren gelebt habe und es nun verlassen werden. Es hat sie aufgefressen, weil er immer am Bezahlen war. Da ich es ihm abgekauft habe, habe ich mir gedacht, sollte es mich auch jemals aufessen wollen, gebe ich ihm soviel drei ???, bis es jammert: satt, satt, ich bin satt, ich fress kein Blatt mehr, mäh … Aber ich glaube, es wird gut zu mir sein, weil ich eine späte Liebe bin, inmitten der Zikaden, die dieses Jahr zehnmal oder noch mehr mehr sind als je zuvor – selbst in der Stadt zirpen sie, es ist ein Geräuschmeer, das vermutlich ohne den Klimawandel nicht so wäre. Insofern bleiben auch die dunklen Gedanken da.
Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands, sein Werk in viele Sprachen übersetzt. Im Verlag Akademie der Abenteuer erscheint seine (dem Verlag den Namen gebende) Buchreihe um die Magie des Wissens und die Macht des Geldes Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedichtband Lockdown – ein C-Movie.