Himmel, schenk ihm emotionale Intelligenz

// von Boris Pfeiffer //

Es ist die entsetzlichste Begegnung der letzten vier Wochen. Sie findet statt in der MetroBus-Linie M19, früher hieß das in Berlin einfach der 19er. Als ich einsteige, steht eine Gruppe von Frauen und Kindern und Männern im rundum vollen Bus im Gang, in der Bucht, in die Kinderwagen und Rollstühle passen, direkt an der hinteren Tür. Sie tragen Palästinensertücher, mir persönlich bekannt seit den 70er Jahren, als wir uns als Schüler Moschus kauften und die arabischen Händler an den Kudammständen uns zuriefen: „Kifft nicht, lernt.“ Wobei wir das gar nicht taten. Wir rauchten nicht mal. Einer der Männer, der größte der Gruppe, redet in einer arabischen Sprache, die ich nicht kann, eifrig auf den neben ihm Stehenden ein. Ich höre „Israel, Israel …“. Dann wendet er sich dem kleinen Mädchen zu, das vor ihm steht. Das Mädchen reicht ihm bis zu den Knien. Der Mann fängt an, äffische Bewegungen zu machen. Kratzt sich unter den Achseln, schlenkert die Arme. Das Mädchen sieht interessiert auf. „Neandertaler“, ruft der Mann. „Neandertaler!“ Das Mädchen schaut ihm zu. Sie kennt das Wort nicht. Fragend sieht sie ihn an. Der Mann ruft laut, indem er weiter die Sprache wechselt: „Neandertaler, dumm, versteht nicht!“ Oh, denke ich, was tust du, Mann? Warum sprichst du jetzt Deutsch? Was soll das werden? Das Mädchen kann gut Deutsch. „Ein Dummkopf!“, ruft sie. „Ja! Ja!“, ruft der Mann. „Genau, genau! Ein Idiot! Wie Israel … Europa.“ Seine Worte fahren mir in Mark und Bein. Ich möchte seinen Worten etwas entgegensetzen. Aber ich bin kein Hool, der jetzt aus der Haut fahren könnte. Neandertaler waren wahrscheinlich nicht in Israel, denke ich. Viel mehr, es gab zu ihrer Zeit kein Israel. Wie viel zu fein kann man denn nur denken, denke ich. Dann fange ich an nachzudenken. Homininen und … der Neandertaler … er kam bis in die Levante, also ins Morgenland, bis in die Türkei, Syrien, Libanon, Jordanien, Palästina, Ägypten … und hat sich im Übrigen mit dem Homo sapiens gepaart. Das Mädchen hört dem Mann aufmerksam zu. Seine Worte dringen in ihr junges Bewusstsein. In diesem Moment wird sie von einem Dummkopf beeinflusst. Ich möchte mich zu ihr niederknien, ihr sagen: „Hör nicht auf ihn, lerne!“ Wie der Moschusverkäufer am Kudamm es zu mir gesagt hat.

Der Verlag Akademie der Abenteuer wurde Ende 2020 gegründet, um in diesem Kinderbücher neu aufzulegen und Bücher in die Welt zu bringen, die es sonst vielleicht nicht gegeben hätte. Seitdem sind über 50 Bücher von mehr als 20 Autorinnen und Autoren aus vielen Teilen der Welt erschienen – und die Reise geht weiter. Alle Bücher des Verlags lassen sich finden im Überblick.

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands (er schreibt z.B. die ‚Drei ??? Kids‘, von ihm stammt ‚Celfie und die Unvollkommenen‘ und ‚Die Unsichtbar-Affen oder ‚Das wilde Pack‘) Er ist der Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien dort zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedicht- und Bildband für Erwachsene „Nicht aus Adams Rippe“ und soeben der Folgeband „Mitten im Leben“. Bei Harper & Collins erschien zuletzt seine hochgelobte Kinderbuchreihe SURVIVORS. und vor ein paar Wochen der Roman „Erde, Wasser, Feuer, Sturm – Zum Überleben brauchst du alle Sinne“. Im Kosmos Verlag schreibt er regelmäßig und mit großer Freude neue Bände der Die drei ??? Kids.


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