Einundzwanzigster, Wintertag

von Boris Pfeiffer

Innerhalb von zwanzig Minuten ist es dunkel geworden, die Straßen sind vereist und ich parke an der Brücke. Als ich aussteige, sehe eine Frau mit einem Kind. Sie geht auf dem verschneiten Mittelstreifen und zieht das Kind auf einem Schlitten hinter sich. Der Himmel hat sich vollkommen entfärbt. Manchmal taucht aus der Stadt, an einem der Orte, die ich seitdem kenne, meine Kindheit auf. Menschen in ihrer damaligen Gestalt, das alte Licht von Straßenlaternen, Bäume und ihre Schatten, Hausmauern, die Geister hinter ihren Fassaden, Gesichte. Das Wort ohne „r“ ist in Vergessenheit geraten. Goethe hat es im Faust verwendet. Ich gehe zu Fuß weiter. Im Blumenladen steht eine mir unbekannte Verkäuferin, bei ihr will ich keine Blumen holen. „Der Trost von Fremden“ von Ian Mc Ewan kommt mir in den Sinn, dessen Romane ich in der Pubertät geliebt habe. Das Eis auf den Straßen plagt mich nicht mehr. Ich hülle mich ein in die Dunkelheit. Heute ist die Trauer mein Glück auf der Erde zu sein.     

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands (er schreibt z.B. die Drei ??? Kids) und Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien dort zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedicht- und Bildband für Erwachsene Lockdown – ein C-Movie. Ende September 2021 erschien bei Harper & Collins der erste Band seiner neuen Kinderbuchreihe SURVIVORS.

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