Sellerie

von Boris Pfeiffer

Wieder einmal komme ich mit meiner Lieblingsverkäuferin im Reformhaus ins Gespräch. Die Coronalage spitzt sich zu und wir sprechen über unsere Furcht, Weihnachten nicht mit der Familie verbringen zu können. Das Versagen der deutschen Politik ist nicht weiter diskutabel. Das steht fest. Das Impfen und Nichtimpfen gehören aber ebenfalls zu diesem Thema dazu. Und hier wird es nicht nur egoistisch oder saturiert-faul, abgehoben oder vom politischen Wiedergewähltwerden-Wahn verblendet, sondern nahezu wahnwitzig. Wir sind beide geimpft. Sie spräche im allgemeinen mit Kundinnen und Kunden nicht mehr darüber, erzählt sie mir. Zu oft ist sie dafür angefeindet worden, dass sie sich hat impfen lassen. Beispiel gefällig? Ein Kunde kauft regelmäßig Selleriesaft, um sich durch dessen Einnahme vor der Ansteckung durch Geimpfte zu schützen (sic!). Eine andere Kundin spricht nicht mehr mit ihr, weil sie sich hat impfen lassen. Mein tiefes Demokratieverständnis zwingt mich dazu, auch solchen Meinungen in aller Ruhe zu begegnen. Niemals werde ich sagen, dass ein so Denkender mich tyrannisiert, wie ich es neulich von einem Politiker im Radio gehört habe. Ich respektiere begründete Meinungen, auch wenn ich anders denke. Aber mein Verstand schüttelt alle Köpfe, wenn ich das hier höre. Wie ist es möglich, dass denkende Menschen in reiferem Alter so abgehen?

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands (er schreibt z.B. die Drei ??? Kids) und Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien dort zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedicht- und Bildband für Erwachsene Lockdown – ein C-Movie. Ende September 2021 erschien bei Harper & Collins der erste Band seiner neuen Kinderbuchreihe SURVIVORS.

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