Großartiger Tag

von Gudrun Wiebke

Beim Herausnehmen der Zeitung aus dem Briefkasten stutze ich. Was steht da? Wirklich? Es stimmt. Die Überschrift zu dem Foto lautet: „Großartiger Tag“.
Ich kann nur einen Ausschnitt des Fotos sehen, weil die Zeitung geviertelt durch den Briefkastenschlitz gesteckt wurde. Die Farben auf dem Foto sind in hellen, freundlichen Beige-Schattierungen. Mal keine Kugeln in abstoßenden Blau-Rot-Abstufungen mit widerwärtigen Stacheln, die als Saugnäpfe enden. Keine dunklen Camouflage-Stoffe … Nein, helle Beige-Schattierungen. Für einen ganz kurzen Moment ist so etwas wie Freude in mir. Gemischt mit Zuversicht. Es gibt sie also noch. Ereignisse auf der Welt, die das Wort „großartig“ verdienen, weil sie großartig sind.
Nachdem ich meine Brille aufgesetzt habe, falte ich die Zeitung auseinander. Meine Freude verwandelt sich in „ach so, ein Abgeführter“. Er (oder sie?) hat sich eine beigefarbene Decke über Kopf und Körper gezogen und geht gerade an einer Gartenmauer aus hellen, hochwertigen Natursteinen vorbei. Das waren also meine freundlichen Beige-Schattierungen, die mir zusammen mit der Überschrift „Großartiger Tag“ für einen Moment ein wenig Licht geschenkt hatten. – Braucht es nur noch zwei positive Wörter und helle Farben, um zu hoffen? Oder hat sich inzwischen schon der Wunsch als Vater des Gedanken manifestiert?
By the way: Es war unser Innenminister, der von einem „großartigen Tag“ sprach, weil ein weltweiter Schlag „gegen die erste Liga der Clankriminalität“ gelungen sei.

Gudrun Wiebke schreibt Kriminalerzählungen und Kindergeschichten. Im Verlag Akademie der Abenteuer ist von ihr zuletzt erschienen: Kommissar Traudich und das Schweigen des Stoppelfelds.   

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