„Ciao, Ragazzi!“

von Maria Giovanna Tassinari

Auf dem Weg in die Hügel, zwischen Kornfeldern und Weinbergen, kommen wir am Haus von Freunden vorbei. Gerade ist das Tor offen, ein weißes Auto ist eben reingefahren. Wir folgen ihm und parken direkt dahinter auf dem Grundstück. Unser Freund Tino steigt aus und traut seinen Augen nicht. Mit uns hatte er wirklich nicht gerechnet.
Der Empfang ist für uns ebenso überraschend. Er hat kaum Zeit, uns zu warnen, als schon zwei große Hunde auf uns zukommen, uns laut anbellen, sich auf die Hinterbeinen stellen und uns die Pfoten auf die Schultern legen. Sie laufen um uns herum, beschnüffeln uns, bellen uns wieder an, wedeln mit den Schwänzen, stupsen uns mit ihren Schnauzen.
Margherita, meine Freundin, kommt die Treppe runter und begrüßt uns fröhlich. Die Hunde auch immer weiter. Sie hören nicht mehr auf. Es sind zwei große Schweizer Sennenhunde,  sie heißen Argo und Leon Andrej (eine Hommage an Tarkowski). Der unerwartete Besuch regt sie auf. Sie hören nicht auf zu bellen, weichen nicht von uns. Wir berühren sie, streicheln sie, betatschen sie. Anders geht es nicht. Anders wollen wir es auch nicht.
Wir setzen uns an den großen Esstisch in der Küche und die Hunde kommen zu uns. Während wir mit den Freunden die letzten Neuigkeiten austauschen, legen sie ihre großen Köpfe in unseren Schoß. Einer nach dem anderen, einer neben dem anderen, ringen sie um unsere Aufmerksamkeit.
Ich kann kaum das Gefühl beschreiben, wie schön es ist, ihr Fell zu streicheln, ihren Kopf in die Arme zu nehmen, ihren warmen, kräftigen Körper zu spüren, ihre freundlichen, ruhigen Augen anzuschauen, ihrem Keuchen zuzuhören.
Wir gehen durchs Haus und durch den Garten. Wir waren jahrelang nicht hier und lassen uns von Margherita alles zeigen.
Als wir uns später verabschieden, bringen uns Margherita und ihr Sohn, Marco, zur Tür. Die Hunde stehen zwischen den beiden. Ich bin schon draußen, drehe mich um und sage: „Ciao ragazzi!“
Marco und Margherita winken, dann merken sie, dass ich nicht sie gemeint habe, sondern Argo und Leon Andrej. Es ist das letzte Lachen in diesen wundervollen Stunden.
Im Auto lasse ich mich vom Hundegeruch umhüllen.

Maria Giovanna Tassinari leitet das Selbstlernzentrum am Sprachenzentrum der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsinteressen sind Autonomie von Lernenden und Lehrenden, Sprachlernberatung, Emotionen und Gefühle in Fremdsprachenlern- und lehrprozesse sowie in Beratungsprozessen.
Sie ist im wissenschaftlichen Board des Research Institute for Autonomy in Language Education, sowie Mitglied von Learner Autonomy Special Interest Group vom IATEFL und Autonomy Focus Group von Cercles.
Neben ihren wissenschaftlichen Publikationen hat sie auch einen privaten Blog.

https://www.sprachenzentrum.fu-berlin.de/slz/index.html
https://lasig.iatefl.org/
https://kuis.kandagaigo.ac.jp/rilae/
https://bloggiovi.wordpress.com/

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