Nante und Nantine

von Boris Pfeiffer

Früher gab es den Nante Eckensteher in Berlin, den tagelöhnenden Dienstmann, kümmeltrinkend und von nischt als Butterstullen dazu am Leben gehalten. Heute, wenn man an einem Sonntag durch die verlassenen Hinterhöfe der windkalten Hotelanlagen und Geschäftsburgen der Innenstand sich zu stromern entschieden hat, vorbei an toten Galerien, aufgegebenen Stoffgeschäften, Auktionshäusern ohne Kunden, trifft man ihn wieder. Und sie dazu. Auf ihre Handys sehend, stehen sie draußen vor Hinterausgängen, immer alleine, eine Kippe im Mund oder eine E-Zigarette, an eine Hauswand gelehnt oder dicht davor, nahezu unsichtbar, von keiner Straße aus zu bemerken, zwischen Mülltonnen und alten Matratzen, Stuhlbergen, Plastikplanen, mit Glück in einem Streifen Sonne unter der letzten Hinterhofpappel, im kalten Berlin der neuen Zwanziger. Kommt man vorbei, drücken sie sich dichter an die Wand, dann leuchten nur noch ihre Augen aus dem Schatten. Sie meiden die Blicke der anderen. Schattengeister des Kapitalismus.

Boris Pfeiffer ist einer der meistgelesenen Kinderbuchautoren Deutschlands und Gründer des Verlags Akademie der Abenteuer. Zuletzt erschien dort zusammen mit der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister der Gedicht- und Bildband für Erwachsene Lockdown – ein C-Movie. Ende September 2021 erschien bei Harper & Collins der erste Band seiner neuen Kinderbuchreihe SURVIVORS.

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